Huch Zeitumstellung
Unsere Thailand-Rundreise mit Familien beginnt damit, dass ich verschlafe, denn zwischen Indien und Thailand sind einundeinehalbe Stunde Zeitunterschied.
Das wusste ich auch, aber mein Handy wusste es nicht, und ich wusste nicht, dass es mein Handy nicht wusste. Oft wissen die Geräte doch ziemlich viel und die Menschen ziemlich wenig. Ich versuche immer mehr als meine Geräte zu wissen. Das heißt nicht, dass ich viel weiß, sondern dass ich Geräte habe, die so gut wie gar nichts wissen und sich ganz darauf verlassen, dass ich ihnen sage, wo es langgeht.
Dann lachen wir beide: Gerät und ich und machen einfach gar nichts. Das schont die Batterie.Dann könnte natürlich jede menschliche Schwäche fatale Folgen haben. So ist es nur ein Ausschlafen in Bangkok.
Immerhin ist hier auch 2016. Die Bestätigung finde ich im Laufe des Tages.
Es war auch Weihnachten hier. Daran kann man nicht vorbeisehen. Sie mögen rosa, hellblau und Eisbären.
Ich hatte übrigens den Wecker so gestellt, dass für alles Zeit war: duschen, Sonnencreme für Mutter und Kind, Tagesrucksack so packen, dass nichts fehlt. (Alles richtig machen. So wie die anderen mit den eingeschweißten Reiseunterlagen, die die Namen der anderen aus der Gruppe sofort mitschreiben und den Zettel mit dem Reiselaminiergerät laminieren. Und desinfizieren nicht vergessen.)
Ich wachte sogar vor dem Wecker auf. Kind und ich hatten Zeit herumzuliegen und zu reden.
Dann Telefon.
Am Telefon die thiländische Tourleiterin, die wir am Vortag kurz kennengelernt haben. Ich verstehe ihr Englisch nicht, sie meins nicht. Sehr harmonisch also.
Sie ruft gern einzelne Wörter und jedes mit der Betonung: „Party!“ Ich glaube sie war auf einer Animationsschule. Sie rief also ins Telefon: „Mamaa!“, denn sie nennt alle Mamas Mama und alle Papas Papa. Die Namen der Kinder weiß sie und die ruft sie ebenfalls wie „Party!“.
Wir waren auch in Indien oft die letzten beim Treffen, denn wenn man mir sagt, dass es 15 Uhr weitergeht, dann stehe ich nie vor 15 Uhr da. Andere schon. Und nur, weil sie 10 Minuten vorher da stehen, haben sie vielleicht den Eindruck, dass ich zu spät sei, obwohl sie zu früh sind.
Soviel zum Klischee der pünktlichen Deutschen.
Ich arbeite hart daran, das aufzuweichen. Denn wenn wir uns alle Mühe geben, nicht immer so pünktlich zu sein, dann lastet auch nicht mehr dieser Druck auf uns und alles wird viel entspannter. Ich fang schon mal damit an.
Für euch. Und dass ihr nicht bei euren Reisen ständig 10 Minten vor der Zeit da sein müsst. Gern geschehen.
Wir verpassen den Bootstrip durch das Armenviertel von Bangkok.
Die Gruppe teilt mir danach mit, wie ärmlich alles war. Wenn man aus Indien anreist, sieht es hier irgendwie gar nicht so arm aus.
Außerdem sind sie schockiert, wie dreckig Bangkok ist. Finde ich gar nicht.
Ich bin total verschoben von Indien.
Armut ohne Kuh.
Der Hauptunterschied ist, dass man nicht an jeder Stelle Menschen sieht, die etwas tun. Das ist aber nur so, wenn man mit Indien vergleicht. Denn natürlich ziehen und schieben die Menschen ihre Verkaufsstände, schneiden das Gemüse, reparieren die Gegenstände, die kaputt gegangen sind.
Aber nicht überall. Es wirkt nicht alles so privat. Einfach distanzierter. Dabei trotzdem sehr freundlich. Eine Hello-hello-Freundlichkeit? Das kann ich noch gar nicht einschätzen.
Sie sind mehr auf Tourismus eingestellt als Indien.
Super saubere Münz-Waschmaschinen in dreckigen Straßen. Mit Schlössern befestigt.
Insgesamt ist es viel sauberer, von staatlicher Seite her geschmückt. Der König. Viel Gelb. Der Buddha. Viel Gold. Ich habe das Gefühl, dass Indien privater geschmückt war.
Es fällt mir schwer, nicht mit Indien zu vergleichen. Hier wirklich anzukommen.
Nachmittags bummeln wir lange durch Bangkok. Kein Ziel. Bis spät in die Nacht.
Und da beginnt es richtig Spaß zu machen.
An jede Ecke ist etwas anderes interessantes, verrücktes, neues.
Ich bekomme das Kind kaum bewegt, von den tollen Sachen wegzugehen, denn die sind ja so toll. Und jedesmal wenn ich sage, aber gleich kommt was anderes tolles, stimmt es gottseidank.
Es gibt kleine Vögel in Käfigen zu kaufen. Beziehungsweise: nein. Das Gegenteil davon.
Man kauft: nichts.
Eine an und für sich großartige philosophische Sache.
Man sollte mehr nichts kaufen.
Man kann einen Käfig mit ungefähr sieben kleinen Vögeln kaufen, um die Vögel zu befreien.
Den Käfig kann man nicht behalten. Die Vögel nicht. Das Geld auch nicht.
Alles fliegt davon.
Das ist ein Brauch fürs neue Jahr, sagt man uns.
Ich mag das. Wegen: alte Sorgen loslassen, ohne Balast und so weiter. Frei sein. Über Freiheit nachdenken. Kann man nur frei sein, wenn man mal gefangen war?
Ein bisschen muss ich aber auch grinsen bei dem Gedanken, dass die gleichen Vögelchen wieder gefangen werden, wieder befreit werden, wieder gefangen und so weiter.
Das Kind sagt, dass ich es gar nicht genossen hätte, denn ich hätte ja nur Fotos gemacht.
Wir treffen einen Mann mit einem schwarzen Eichhörnchen an einer dünnen silbernen Leine. Das Eichhörnchen krabbelt auf dem Kind herum. Das Kind quietscht. Die Polizisten kommen und machen Fotos, der Eichhörnchenbesitzer lacht, ich lache. Am Ende sind alles so glücklch. Mir tun die Wangen weh vom Lachen.
Es sind etwas weniger Straßenhunde. Dafür viel mehr Straßenkatzen.
Wir essen komische Sachen.
Obstsaft mit Joghurt und 3 Sachen obendrauf, die man sich aussuchen kann. Bunt, bunt, süß.
Eigelb mit Zucker.
Zuckerwattebällchen als Schneeballersatz.
Grüne Mango in Riffelspalten geschnitten. Heißt bestimmt nicht Riffelspalten, sollte es aber. Süß und frisch. In jeder Packung ein Tütchen spicy Sugar, falls es nicht nach genug schmeckt.
Jede Art Tier auf dem Spieß. Meistens leicht süß. (Mama, FLEISCH! Begeisterter Ruf. dann später die Frage: „Verehren die hier keine Tiere wie in Indien? Die essen ja alles.“)
Die bunten Dinger schmecken angebllich wie etwas, von dem das Kind nicht wissen kann, wie es schmeckt. Ich sag mal: leicht seifig mit öligem Abgang.
Wir freuen uns, dass es nicht so scharf ist wie in Indien.
Sondern süß.
Das fasst auch den Unterschied zwischen beiden Ländern ganz gut zusammen.
Bangkok, mit dir bin ich noch nicht fertig. Verrücktes Teil.
Kind nennt es Bang-Peacock.
Das passt ganz gut. Einiges ist hier ganz schönes buntes Radschlagen. Eine Stadt für Selfiemacher.
"Und nur, weil sie 10 Minuten vorher da stehen, haben sie vielleicht den Eindruck, dass ich zu spät sei, obwohl sie zu früh sind.
Soviel zum Klischee der pünktlichen Deutschen.
Ich arbeite hart daran, das aufzuweichen. " und dafür danke ich Dir 🙂 Happy New Year ihr wilden Hühner. Es ist toll mit euch zu vereisen. Bis bald
Hallo SID! Gern geschehen. Ich komme einfach weiter zu spät. Für uns alle. Habe ja auch zu spät auf deinen Kommentar geantwortet 🙂