Hola Schiss haben vorher, Hola Amazonas, Hola Lima, Hola Pazifik!

Jetzt sind wir hier. Sportreportagenstimme: „Meine Daaaamen und Herrrrren! Wir berichten jetzt live aus Peruuuuuu!“
In den Reiseberichten aus Peru wird das Kind nicht mehr das Kind heißen, weil es mir nicht gefällt, dass das Kind ein es ist und ich dann korrekterweise nicht sie schreiben kann. Das Kind heißt solange wir in Peru sind: Inka.

Ich habe diesmal vor dem Losfliegen richtig Angst.
„Hast du immer“, sagt der Mann.
„Aber vor Indien auch?“
„Gerade vor Indien.“
„Ja, weil das Indien ist. Das ist ja auch krass. Aber vor Schottland nicht.“
„Doch du hast kurz vorm Losgehen geweint.“
„Ach ja. Weil die Jacke zu warm war. Das war so anstrengend mit dem schweren Rucksack und der blöden Jacke.“
„Aber in Schottland war sie dann genau richtig.“
„Stimmt.“

Es geht nicht ganz weg. Dieses Schisshaben.

Ich gewöhne mich nicht mal dran. Es kommt nur immer später vor der Reise und dafür etwas heftiger.

Jetzt, wo ich hier bin, weiß ich wieder überhaupt nicht, warum man Angst haben sollte. Es ist toll hier. Ein wunderschön weiches Wetter.
Die Menschen sind sehr nett. Auch wenn der Reiseführer sagt, dass wir uns lieber nicht annetten lassen sollen. Die Händler sind nicht aufdringlich und sehr charmant. Bis jetzt. Wir sind ja erst am zweiten Ort. Und die richtigen Touristenorte kommen noch.
Aber was ich bisher von den Menschen gesehen habe, mochte ich sehr. Unaufdringlich, ungenervt von meinen fehlenden Spanischkenntnissen, großes breites strahlendes Lächeln alter Frauen, wenn sie Inka sehen. Sie freuen sich sehr, wollen sie aber nicht gleich berühren (Thailand) oder fotografieren (Indien).

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In Lima gibt es Plätze mit Schachtischen unter denen gefleckte Katzen dösen.

Die Ampeln zählen die Sekunden runter, die einem zum Überqueren der Straße verbleiben.

Wir wollen das zerbeulteste und das schönste Auto in Lima suchen. Am Ende ist das zerbeulteste gleichzeitig das schönste.

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Auf einem Brunnen sitz ein Geier und trinkt.

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Der Pazifik ist wild und schmeißt mit seinen Brecherwellen selbst sehr große Steine auf die anderen Steine am Strand. Die Wellenrückzugsbewegung rollt die Steine wieder zurück. Ein irres Gemurmel und Geklacker. Dazu noch die Wellen, das Klatschen des Wassers. „Mister Pazifik!“ schreit Inka, wenn die Wellen es zu wild treiben und ihre Badewanne, an der sie baut, zerstören.

Eine gute Art zu reisen, halb organisiert.

Wir haben im letzten Jahr einige Reiseformen ausprobiert: allein, allein mit Mann, in Gruppenreise mit Kindern, mit Freunden/Bekannten und deren Kindern. Diese Reise ist organisiert worden von einem Jonas, der hier lebt und sich auskennt, aber meistens sind wir allein und können machen, wozu wir Lust haben. Wir werden vom Flughafen abgeholt und haben auch mal eine Führung, aber über die Hälfte des Tages ist nicht organisiert und das genieße ich sehr. Es ist die perfekte Mischung. Ein bisschen will ich mich auch in der Stadt verlaufen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie die Menschen hier ihre Städte gebaut haben und wie man sich darin am besten bewegt. Ich habe mich auch gleich am ersten Morgen schön verlaufen. Alles sah ganz neu aus und diente überhaupt nicht als Orientierungshilfe. Das Staunen ist ungeeignet für Orientierung. Später wusste ich, was mich so verwirrt hatte. Die Straßen in dem Viertel waren ein Schachbrett, überall Straßen, um jedes Haus herum. In meiner inneren Navigation sind lange Straßenzüge gespeichert und diese Erfahrungen dienen als Blaupause, die meine Wahrnehmung auf alles anwenden will, was neu ist. Vergleichen ist das Ende der klaren Aufnahme.

Ich reise immernoch aus der DDR heraus.

Das tollste ist, über den Amazonas zu fliegen. Denn da bin ich wieder die, die ich als Kind war. Ein Jungpionier. Was waren das für Wörter? Amazonas! Fast alle Landesnamen elektrisieren mich in dem Moment, wo ich sie denke, lese, ausspreche im Zusammenhang mit dem tatsächlichen Erreichen der geheimnissvollen Orte. ICH könnte dort hin. Wirklich dort sein. Diese Kraft wird wohl nie nachlassen. Was es alles noch für Länder gibt. Ich reise immer noch aus der DDR heraus und immer noch aus mir selbst, denn ich bin ja keine coole Sau, nur insofern, das es eigentlich noch cooler ist, zu sagen, dass man nicht cool ist.
Inka schaut Maya the Bee auf englisch und will sich erst nicht für die Flußschleifen interessieren. Ich sage, dass in dem Moment Schluss ist mit Filme kucken, wenn sie das interessanter findet als das Flugzeugfenster.
Also tut sie erst begeistert und dann ist sie es. Niemand kann so gut begeistert sein wie meine Tochter.
Wir bejubeln zusammen die Wunder der Welt und so erfahre ich welche Wörter neuerdings in der Kita verboten sind. Cool, krass und geil.
Der Amazonas sieht von oben jedenfalls cool, krass und geil aus.
Und da das einer Schriftstellerin nicht angemessen ist: kringelschlingeldibingel, eleganter Fluss, verkrunkeltes Wasser (sagt Inka).

Was schreibt der Fluss?, überlegen wir. Lalalalalala, glaubt das Kind und singt. Ein gut gelaunter Fluss. Ich denke er schreibt: Ich habe Zeit.

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