Pula. Und der flammendste Stadtführer aller Zeiten „o! Jupiter!“

Über Pula ist viel geschrieben worden, aber von niemandem so rasend verknallt wie von Daniel Načinović.

In Pula war ich mehrfach und ich werde den Teufel tun, darüber viel zu schreiben, denn es gibt jemanden, der das schon viel besser getan hat, als ich es könnte.

Daniel Načinović hat einen Stadtführer von Pula geschrieben und dafür liebe ich ihn aufrichtig. Seine Texte sind ironiefrei und haben überhaupt keine Angst vor Kitsch, Größe und Fehlern. Im Grunde genommen wie die Liebe selbst also. Aber es kann auch sein, dass mir das nur so vorkommt, weil ich so lange in dem Stadtführer gelesen habe.

In diesem Buch ist etwas nur eine Galoppstunde entfernt.
Er bezeichnet die Stadt im Verlaufe des Buches als Mediteranperle, „megalithisches Stein nest“.

Ich hätte gern mal einen Liebesbrief von Daniel Načinović.

Wohingegen James Joyce übrigens die Stadt „Sibirien am Meer“ nannte (dann hätte ich von ihm nicht so gerne einen Liebesbrief). Er war 1904 und 1905 in Pula und mochte es wohl nicht. Jetzt gibt es ein Café, das nach ihm benannt ist und da sitzt er nun und jeder kann sich mit ihm fotografieren lassen. Im Hintergrund die skeptische Kellnerin. Im Vordergrund der Sonnenschirm, geklebt, damit er nicht zusammenklappt.

20160809_142914

Hier nun meine Lieblingsausschnitte aus „PULA. Pula sehen und wiederkommen.“

„Wo beginnt die Geschichte über diese Stadt?“ – fragen sich kaum merkabar Kiefern, Pinien und Zypressen und mit ihnen auch einige Touristen, die dort im Oktober, schaukelnd im Korb ihre großen Luftballons, als die ersten – genauso we Sie, etwas verwirrt – auf diese freigebige Pulaer Küste vom Himmel gelandet sind …“

„Seit jenen Gästen aus alten Zeiten – als es noch keine Hotelbücher gab – erzählen bis heute die Schönheit Pulas und seiner Umgebung auch von vielen anderen Freunden der Stadt, deren Namen nicht besonders „klingen“ müssen, aber sie bleiben ewig am Kap einer Halbinsel eingetragen, die auch selbst die Form eines Herzens hat!“

„Selten sind die Städte in der Welt, die in solcher Intensität unter dem Schirm der Gegenwart auch die Schatzkammer der alten Zeit beherbergen. Es ziehen so Generationen vorbei, bleiben im jahrtausendalten Schatten stehen, immer wieder verwundert, vor diesem funkelndem, mit der Sonne durchdtränktem Stein.“

„Pula, die Stadt, die mit ausgestreckter Handfläche über den Funken im Wasserneue Bekanntschaften, neue Freundschaften und unvergessliche Erinnerungen anbietet.“

„Pula bewahrt so, wie viele andere Mittelmeerstädte, im Gedächtnis ihres Bestehens Sehnsüchte und Berührungen jener alten Zeit, die almählich dem Geräusch ferner Ruder, über malerische kosmogonische Deutungen der Welt sprechen, wo wir neben dem Zorn und der Voreingenommenheit der Götter auch den Menschen am Schiffsbug sehen als ewiges Zeichen unaufhaltbaren Fahrens.“

DAS EWIGE ZEICHEN UNAUFHALTSAMEN FAHRENS! Vielleicht lass ich mir das tätowieren.

20160809_130802

Als er zum Amphitheater kommt, reißt den Schreiber die Begeisterung zu unglaublichen Ausrufen hin. So leset selbst:

„Reichtum und Pracht; Not und Armut – alles innerhalb der Mauern und alles außerhalb von zwölf Stadttoren – all das verschwand scheinbar in den Wellen der lautstarken Rufe, im Abgrund der allgemeinen Katharsis, die, während der Spiele, wie eine Flamme aus dem Bauwerk der Kolonie emporschoß.

Amphitheater! Arena!

Die Arena ist ein großes Stammbuch aus Stein, aus dem die Meißelschläge und das Knarren der riesigen haspeln widerhallen; aus der Arena erklingen Schreie der Gladiatoren und der Löwen Gebrüll und verlieren sich in den Wellen des Zuschauerlärms, über dem Lorbeer und den Blutflecken im Sand.

Die Arena trägt in ihrer Steinbrust fast die ganze Geschichte Pulas und  Istriens und findet seine gebührenden Partner nur in den Himmelskörpern, die seit je, genauso wie in den Jugendzeiten der Arena, geduldig – erst mit dieser oder jener Spur eines erloschenen Sternes – über dieser unvergleichlichen Schönheit fahren.“

Und wer jetzt nicht ergriffen ist, hat ein Herz von Steingehauen, jawohl, grobschlächtige auf ewig.

 

 

20160816_143541

Der Mut, diese flammende Rede auf eine schöne Stadt zu schreiben, das alles auf Kroatisch und ohne, dass ein Muttersprachler Korrektur gelesen hat, das zeugt von einem „Egal, ich lass das jetzt so“. Mehr Mut! O Mut! Rufe ich!

Den Reiseführer zu lesen, ist so schön wie zum Frühstück Radio Banovina zu hören, selbst wenn ich über das Internet auch die deutschen Radiosender hören könnte. Aber sowas möchte ich noch nie im Urlaub. Bin ich da, bin ich da.

Radio Banovina spielt schnelle Musik, lustige Musik, Polka und morgens werden Zahlen angesagt, sehr lange. Manchmal rufen auch Menschen an und sagen auch Zahlen an. Oßam, scheßt, tri, oßam, oßam, tri, nula, pet, sedam, dva, dva, oßam. Ich frage mich, was das für Zahlen sind. Haben sie hier sehr, sehr lange Lottozahlen? Sagen sie sehr, sehr lange Telefonnummern an? Gibt es eine Sendung „Sagen sie uns ihre 15 Lieblingszahlen.“

Egal, ich liebe es.

Hinterlassen Sie den ersten Kommentar

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.