Ankommen in Indien

Wir mögen ja lange Flüge, also Filme ansehen. Zum Beispiel Bollywood.

Flugzeug auf. Namaste India.

Etwas in der Luft, dass nicht Nebel ist und nicht Wasser. Etwas, als wäre die komplette Brille der Welt beschlagen. Smog.

Geruch, den ich später erst verstehe. Feuer aus allem, was brennt.
Der Flug nach Wien.
Kind spielt mit Spielgerät, das von kluger Mutter zur verfrühten Bescherung verschenkt wurde. Ich lese in einem dicken Buch, das die „kleine Geschichte der indischen Kunst“ heißt („bis heute gibt es in der Kultur eine ausgeprägte Baumverehrung“).
Der Flug nach Delhi.

Kind sieht drei Filme (Minions, zweimal die Eiskönigin. Als wir in Indien landen, will sie alles vereisen).
Ich sehe zwei Filme.
Der erste ist „Bajrangi Bhaijaan“.
Stolze 2 Stunden 40 lang, vom sehr populären (in Indien und bei allen, die ihn kennen, es kennen ihn also alle, die ihn kennen und da Indien sehr groß ist, kennen ihn wohl sehr viele) Regisseur Khabir Khan. Der Film ist aus diesem Jahr. Handlung: ein stummes Mädchen aus Pakisten verirrt sich in Indien. Ein gut aussehender Held nimmt sie bei sich zu Hause auf. Mädchen kann nicht sagen, wo sie herkommt und dass sie Muslimin ist. Wenn das raus kommt, ohoho, ganz große Augen. Es werden überhaupt viel große Augen gemacht. Viel Musik, viel bunt. Es gibt Stellen zum Weinen und die habe ich auch genutzt, denn wenn es einen Grund gibt zum weinen, dann nehme ich den auch dankbar mit. Das ist die lausigste Inhaltsangabe, die ich je gelesen habe (und geschrieben auch noch). Der gut aussehende Held mit den sehr großen Oberarmen bringt das stumme Mädchen zurück nach Pakistan. Ohne ein Visum. Und außerdem ist er Hanumanverehrer und sagt immer die Wahrheit, auch wenn das große Schwierigkeiten bringt und er dann mal hauen muss, obwohl er nicht mal Fleisch isst. Auf der pakistanischen Seite sind viele Schurken und die netten dort haben trotzdem etwas leicht bauernschlaues. Sie tricksen und zwinkern, dass es nur so eine Art hat. Am Ende rennen Mann und Kind im Grenzfluss in Zeitlupe aufeinander zu. Der Held ist in beiden Ländern ein Held. Das Mädchen kann sprechen.
Der Held wird von Salman Khan gespielt, der mal auf eine bedrohte Hirschziegenantilope geschossen haben soll. Außerdem ist er in Mumbai in Obdachlose gefahren. Er sagt, dass es stocknüchtern war und nur aus der Fahrerseite gestiegen ist, weil die Beifahrerseite beschädigt war. Die Obdachlosen sagen, er sei ständig nüchtern hingefallen. Jedenfalls ist er einer der wichtigsten Schauspieler in Bollywood und kann ganz ganz groß kucken.
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Flugzeug auf. Namaste India.

Etwas in der Luft, dass nicht Nebel ist und nicht Wasser. Etwas, als wäre die komplette Brille der Welt beschlagen. Smog.

Geruch, den ich später erst verstehe. Feuer aus allem, was brennt. Denn tagsüber habe ich den Smog nicht gerochen und am Abend wurden wieder die Feuer angezündet. Qualmende Feuer. Stinkender Qualm. Würden in Indien die Obdachlosen nicht abends ihre Feuerstellen errichten würde, das Land halshoch im Müll stehen. Eine Abendmüllverbrennungsanlage mitten in den Städten.
Am besten ist die Ankuft in Indien zu symbolisieren durch das Verhalten des Stewards.
Einer mit roter Uniform der österreichischen Fluglinie, der den ganzen Flug höflich war und eine übertriebene „knicks-natürlich-die-Herrschaften“ Mimik an sich hatte.
Aber kaum sind wir in Indien, kann er meine einfache Frage nicht beantworten. Ich frage ihn beim Aussteigen aus dem Flugzeug, was die letzte Durchsage im Flugzeug war, ob er nachfragen könnte.
Beides wird von seinem Kopf als Verantwortung abgeschüttelt, wie ein nasser Hund. Er will nicht zuständig sein, ich bin ja nur einen halben Schritt noch in seiner Maschine, gebucht auf Platz 38B.
„Fragens die Kollegn draußen, da!“, sagt er und ich steige aus. Die Kollegen da, auf die er zeigte, sind allesamt Inder mit gelben Warnwesten. Die sehen mir schon aus, als wüssten sie, was in der so eben gelandeten Maschine angesagt wurde.
Er ist nicht zuständig. Huschhusch. Dollar hätt ich ihm in die Hand drücken sollen oder was?
Für die Flugzeugansagen werden die Filme unterbrochen. Das ist gut so, aber ein Kind, dass gerade einen Film ansieht, wird jedesmal, wenn der Film stehen bleibt sagen: „Mama, der Film ist stehen geblieben? Mama, was ist los? Mama, ist dein Film auch stehen geblieben? Warum geht es nicht weiter, Mama, Mama“. Irgendwas davon wird das Kind sagen. Natürlich konnte ich so die Durchsage nicht hören.
Sei doch mal leise.
Warum?
Die sagen was wichtiges an.
Was denn?
Sei doch mal bitte, leise.
Mama, der Film geht weiter.
Fuck! Nichts gehört.
(Knackknack, bitte beachten sie, dass wir jetzt auf einem Kiesberg notlanden. Es ist wichtig, dass sie sich abschnallen und sich die Nase zu halten.)
Auf dem Flughafen zieht sich die „Nah, gehns weg, i woaß net, frogens die Kollegen da“ vom Flugbegleiter durch, (aber es gibt auch sehr nette Menschen, die einen direkt zum Gepäckband bringen, wenn man sich lange genug blöd anstellt).
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Ein wichtiger Zettel sollte im Flugzeug ausgefüllt werden. Schon wieder ein wichtiger Zettel. Ich sollte meine Passnummer inzwischen auswendig können.
Am Flughafen will den wichtigen Zettel keiner haben. Ich frage immer wieder. Habe auch im Internet gelesen (das neue „amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden“ – amerikanische Wissenschaftler haben übrigens herausgefunden, dass im Internet auch viel Grütze steht), man könne beim Ausreisen Probleme bekommen, wenn man einen Laptop ausführt, den man bei der Ankunft nicht deklariert hat.
Also will ich den Zettel abgeben. Hier nicht, gehen sie nach da, kein Problem, sie müssen das nicht machen, was ist das, wenn dann am Ausgang, gar nicht, egal.
Am Ausgang fließt breitbeinig ein alter indischer Papatyp vom Rollstuhl, dreht sich hin und her und mustert die Menschenmassen. Ich sehe, dass neben im auf einem Tisch diese Zettel liegen. Sie liegen da, als wolle gleich eine Deklarierungszettelwahrsagerin kommen und daraus die Zukunft lesen. Da wird stehen: alle Zettel werden am Ende des Tages im Müll liegen, hipphipphurra, dann kann ein Obdachloser ein Feuer damit entzünden. Vielleicht heben sie die Zettel auf von den Menschen, die Gold eingeführt haben.

In der Empfangshalle stehen die Fahrer mit Zetteln, sie halten sie hoch und tief, die Schriften sind gedruckt und von Hand geschrieben. Ich fahre einmal hin und einmal her mit dem Gepäckwagen mit Rucksäcken und Kind drauf. Bis ich meinen Namen sehe. Darüber freue ich mich so sehr, wie man sich nur freuen kann, wenn man mitten in der Nacht am Flughafen von Delhi seinen Namen sieht.

Nachteil am schnellen e-Visum: warten und stehen am Flughafen, halbe Stunde.

Wir sind daaaaaaa!

2 Kommentare

  1. Huh….in Berlin im Hotelbett gammeln und deinen Reisebericht lesen. Toll. Freu mich, dass ihr gut gelandet seid und bin gespannt, wie es weitergeht 🙂

  2. Hallo Martina. Du im Hotel, ich im Hotel! Wir haben so viel gemeinsam. Grüße!

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